• IMO: 13112021
• Name: „Patrick & Joanna“
• Appearance: Steamboat; Air mattress

Schön anstrengend

von Luna Schneider

Logbucheintrag vom 20.10. 2021:
Patrick möchte am Wochenende eine achtstündige Seenwanderung im Montafon machen.

Ich würde am liebsten ausschlafen und ein gutes Buch lesen.

Logbucheintrag vom 21.10. 2021: Wir haben eine lange anstrengende Wanderung gemacht.
In den Pausen atemberaubende Aussichten übers Rheintal.

Wenn ich überlege, welches „Schiff“ ich bin, dann bin ich wohl am ehesten eine „Luftmatratze“. Denn ich liebe es, mich treiben zu lassen und einfach nichts zu tun. Just being. Einfach nur SEIN. Das Wasser und die Wolken zu betrachten. Andere Lebewesen im und auf dem Wasser zu beobachten. Die Zeit verstreichen zu lassen. Von mir aus vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang… dieses Auf und Ab der stetigen Wellenbewegungen in der Horizontalen zu genießen.

Vor allem, wenn ich auf dem Rhein bei mäßiger Strömung unterwegs bin, mag ich es, langsam am Ufer vorbeizutreiben und dabei Menschen und Tiere am Ufer zu beobachten: Wie Schmetterlinge und Hummeln nach Nektar suchen, wie Graureiher statuengleich auf einen Fisch lauern und wie Spaziergänger ihre Hunde Gassi führen. Ich sehe einen Bauer auf seinem Traktor, vergnügte Partygäste am Grill und planschende Badende – ein lebendiges Treiben an der Uferpromenade.

Wenn es aber allzu ruhig ist, kann es mir schnell langweilig werden. Viele meiner Partner waren tendenziell ebenfalls „Luftmatratzen“ oder allenfalls „gemächliche Paddler“, denen es nicht so sehr darauf ankam, viele Kilometer zu reißen. Das war ganz gemütlich. Selten gab es Streit, nur wurde es eben doch schnell monoton und ich bekam das Gefühl, nicht voranzukommen. Ohne Antrieb und Bewegung geht es eben nicht.

Mein jetziger Partner ist eher ein Dampfschiff. Ständig steht er unter Strom, er muss immer etwas tun und sich bewegen, sonst weiß er nicht wohin – mit all seiner Energie. Patrick fürchtet sich vor der Ruhe und braucht sie doch so sehr. Er, als Kapitän und Ingenieur, ist dabei, zu lernen, die Explosionen des Dampfschiffaggregats immer mehr unter Kontrolle zu halten und die Energie gleichmäßiger zu verteilen. Rechtzeitig wahrzunehmen, dass es Schäden am Motor geben könnte. Pausen für die Wartung einzulegen und dabei die kleinen Schönheiten des Lebens am Wegesrand wahrzunehmen.

Ich bewundere und liebe ihn sehr für seine Energie.

Wir unternehmen viel, machen unzählige Wanderungen. Die Berge, die wir besteigen, werden immer höher. Die gemeinsamen Erfolgserlebnisse mit den phänomenalen Aussichten machen diese Beziehung so besonders. Es gibt allerdings auch häufig Meinungsverschiedenheiten und Streit, was mich dann schnell strapaziert. Dann fühle ich mich wie eine Luftmatratze, die von einem Dampfschiff vor sich her gestoßen wird (nicht so, dass es gefährlich würde oder zu Verletzungen käme, aber durchaus ruppig). Es wird dann anstrengend mit ihm und so brauche ich meine „Luftmatratzen-Tage“. So lernen wir, uns zusammenzuraufen und uns in unseren unterschiedlichen Wesensart zu akzeptieren.

Text: Luna Schneider, Sprecherin: Verena Wilhelmy

Luna Schneider, geboren 1980. Sie hat es vorgezogen, unter Psyeudonym zu schreiben, weil sie in diesem Raum Vertrauliches mitteilen konnte, ohne Beteiligte bloßzustellen. So bleibt auch die Möglichkeit, sich auf das Geschehene zu konzentrieren.