• IMO: 8915432
• Name: Freedom
• Vessel Type: Large sailing type
• Gross Tonnage: 2298
• Summer DWT: 2100
• Build: 1963
• Flag: Wales
• Home port: Swansea
• Next port: Secre
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Bwydo‘r pysgod – Fische füttern

von Anna Loog

Die Geschichte mit Owen schenkte mir Einblicke in das Wesen von Beziehungen im digitalen Zeitalter. In die verschlungenen Pfade der männlichen Psyche. In den britischen „business mind“ und den walisischen „spirit“. Wir schrieben uns zunächst per Mail, dann auf WhatsApp mehrmals die Woche – über mehrere Jahre hinweg.

Kennengelernt hatten wir uns über eine Annonce. Ich hatte jemanden für einen Tandem-Sprachaustausch gesucht, weil ich das English Proficency Examen ablegen wollte. Als Owen dann nach einem halben Jahr des Hin- und-her-Schreibens zum ersten Mal neben mir saß, verliebte ich mich spontan in den spöttischen Glanz seiner Augen und seine Lachfältchen.

Er hatte die Figur von einem Ballon, klein, stämmig und rund – ein Sprössling aus den sogenannten „Valleys“ aus dem Süden von Wales. Böse Zungen behaupteten, dass Leute aus dieser Gegend hinterwäldlerisch seien. Was man von Owen nicht behaupten konnte. Owen strahlte Ruhe und intellektuelle Souveränität aus. Gleichzeitig verkörperte er eine Mischung aus Rebellion und Warmherzigkeit. Er war Hobbyhistoriker und Harley-Schrauber. Modellfiguren von napoleonischen Schlachten zu bemalen und detailgetreu nachzubilden, war sein „Steckenpferd“. Parallel dazu studierte er ausgiebig die jeweilige Militärgeschichte. Als IT-Spezialist war er in der Schweizer Hochfinanz unterwegs und bezeichnete sich selbst als „Chamäleon“, das sich in dieser Umgebung bestens anpassen könne, innerlich aber jemand ganz anderes sei… Statt Anzug und Krawatte trage er sonst nur schwarze T-Shirts und schwarze Jeans. Er liebe „Steampunk“ und „Heavy metal“. Gelegentlich auch klassische Klaviermusik.

Da Owen nach Basel pendelte, hatte er wenig freie Zeit. So sahen wir uns in Wirklichkeit sehr selten. Eine seiner herausragenden Fähigkeiten war seine Hinhaltetaktik, mich auf ein reales Wiedersehen in der nahen Zukunft zu vertrösten. Sie war umso überzeugender, weil er vermutlich selbst daran glaubte, dass wir uns bald treffen würden. Diese „Balds“ dauerten oft Monate und die Taktik war vielversprechend im wortwörtlichen Sinne. Seine Zeilen endeten häufig mit dem Mantra „Hope to see you soon“. Lange Zeit hatte seine Unnahbarkeit auch etwas Attraktives. Währenddessen suggerierte er mir auf WhatsApp, dass ich für ihn jemand ganz Besonderes sei, und machte mich durch seine privaten Schilderungen zu einer Art Geheimnisträgerin, zur „Chef Confidential“.

Auch „Sex“ – als weiteres Konversationsthema – wurde neben Beruf und Befindlichkeit für ihn zum Dauerbrenner. Ich nahm es stoisch als Gelegenheit wahr, meinen englischen Wortschatz um ein paar Frivolitäten zu erweitern. Wir diskutierten ernsthaft die „Pros“ und „Cons“ von Polyamorie. Es amüsierte mich auch, wie er es immer wieder schaffte, mich in seine Vorstellungswelt hineinzuziehen. Unser Englischdialog sah dann beispielsweise so aus:

Ich: My favourite words are: „prosopagnosia“ and „coddiwomble“.
Owen: „Procrastinate“ and „garrulous“ are also good. It helps your English and enhances your vocabulary for the CAE examen.
Ich: What about „gobsmacked“ and „flabbergasted“?
Owen: Yes, „cunnilingus“ is one to my taste. Yours too, maybe?

Obwohl unsere Beziehung vertrauter wurde, blieb immer eine Art Distanz zwischen uns. Immer wieder verschob er Verabredungen wegen höherer Umstände: Überstunden, verwandtschaftliche Verpflichtungen, Stress, Fußball. Es waren – aus meiner Sicht – absurde Fälle von Verhinderung. Es war zäh, durch diese kleinen Zeitfenster ihm irgendwie näherzukommen. Aus seiner Sicht lagen die Gründe für seine Zurückgezogenheit in seiner schwierigen Kindheit. So nannte er mir eine Reihe von Diagnosen, die daran schuld seien, dass er sich so „exzentrisch“ verhalten würde… Für mich waren es Steine, die weitere Hindernisse bildeten. Es schien mir, als schützte er sich damit: „Komm nicht näher, du darfst mich aber weiterhin durch die Glasscheibe anschauen!“

Für unsere WhatsApp-Plaudereien fand ich eine Bezeichnung: „Fische füttern“. Man streut etwas Futter „Tock Tock“, eröffnet einen „Chat“ und schaut, ob der andere „anbeißt“. Wenn ja, kann man temporär ein bisschen Einblick in das eigene Leben geben und sich eventuell trösten, aufheitern lassen und „Beziehungsvitamine“ tanken. So plaudert man ein bisschen aus dem Alltag und wirft den Ball hin und her – ideal für Pendler.

Alles in allem profitierte ich von der Englisch-Konversation, gewann so Einblicke in das Innenleben eines in der Schweiz gestrandeten Walisers. Die Kultur der Waliser ist matriarchalisch geprägt, ihre Sprache ist für Nichtmuttersprachler unzugänglich. Ich sagte ihm, dass ich sie für das Finden von Passwörtern geeignet hielt. Es gibt jedoch zwei walisische Wörter, die ich in der Erinnerung an diese Begegnung mit Owen verbinde: „Hwyl“ und „Hiraeth“.

Hwyl:
Die Waliser haben ihr eigenes Wort, um Spaß, Energie und Freude auszudrücken: hwyl, was „hoo-ael“ ausgesprochen wird. Hwyl bedeutet viel mehr als nur Spaß: Es wird verwendet, um ein bewegendes Gefühl, Inbrunst, Emotion, Motivation und Begeisterung auszudrücken. „Hwyl Fawr“ heißt auch „good-bye“.

Hiraeth:
Es gibt kein gleichwertiges Wort im Englischen, das alles ausdrücken kann, was „Hiraeth“ auf Walisisch tut. Der Begriff (ausgesprochen „heer-eyeth“) bedeutet mehr als nur Heimweh: Er umfasst Sehnsucht und Wehmut. Es ist Nostalgie für einen Ort, an den du nicht zurückkehren kannst; aber auch in einem illusionistischen Sinn ein Ort, der nicht mehr existiert oder nie real war. Er drückt auch Trauer und Traurigkeit für jemanden oder etwas Verlorenes oder Verstorbenes aus.

Eines Tages verabschiedete sich Owen bei mir. Wohin, wollte er mir nicht verraten.


Text: Anna Loog; Sprecherin: Melle Teich