Logbuch

Ein Logbuch ist das Tagebuch für Seefahrer und es ist eine chronologische und vollständige Aufzeichnung aller Vorkommnisse an Board. Hier werden normalerweise die täglichen Ereignisse lückenlos und nachvollziehbar erfasst und protokolliert. Dieses Logbuch hier dokumentiert nur ein paar Stationen mit z.B. einigen Links zu Themen rund um Beziehungen, auf die ich bei den Recherchen zum Thema gestoßen bin.

Start des Projektes: August 2021

  • Zunächst eine der Quellen für die Idee zu „relation ships“: Eine sehenswerte Online-Karte verschafft Überblick, was auf unseren Weltmeeren, aber auch auf den Binnengewässern „los“ ist. Marinetraffic.com

  • Die Karte für Sturmkunde im Atlantik ist das Verbreitungsgebiet des Shipping Forecast. Das ist die legendäre Sendung des BBC’s, der Wetterbericht für Seefahrer. Wegen seiner solumnablen Vortragsweise oft als „Lullaby“ für die Daheimgebliebenen „a bedtime story for grown-ups“ bezeichnet. Seit 120 Jahren, heute 2x täglich. Der shipping forecast hat Satiriker und Poeten inspiriert.
    „Since its first broadcast in the 1920s, the shipping forecast on BBC radio has inspired poems, songs, and novels in addition to its intended objective of warning generations of seafarers of impending storms and gales. In Attention All Shipping, Charlie Connelly wittily explores the places behind the voice, those mysterious regions whose names seem often to bear no relation to conventional geography. https://www.bbc.com/weather/coast-and-sea/shipping-forecast oder https://en.wikipedia.org/wiki/Shipping_Forecast#cite_note-28
  • Autobiografisches Schreiben ist eine Art „Aufräumen“, in Buchstaben festgezurrt, kann man die Erinnerungen verankern, bevor sie – wie Nussschalen – immer wieder vor dem inneren Auge herumtanzen.

    Bei der Recherchen zum Projekt bin ich auf Doris Dörrie gestoßen. Aus meiner Sicht wunderbar essentielle Gedanken; zum Lesen oder auch Hören von ihr selbst gesprochen, sehr berührend. “Leben, schreiben, atmen” , Diogenes Verlag

    “Wenn man schreibt, schreibt man immer über sich selbst. Es ist abwechselnd wunderbar, schmerzhaft, narzisstisch, therapeutisch, herrlich, befreiend, tief traurig, beflügelnd, deprimierend, langweilig, belebend. Schreibend halte ich mich am Leben und überlebe. Jeden Tag wieder. Ich schreibe, um diese unglaubliche Gelegenheit, am Leben zu sein, ganz genau wahrzunehmen und zu feiern. Ich schreibe, um einen Sinn zu finden, obwohl es am Ende wahrscheinlich keinen gibt. Wir sind alle Geschichtenerzähler. Vielleicht macht uns das zu Menschen. Vielleicht haben wir auch nur keine Ahnung, welch großartige Geschichtentenerzähler Katzen oder Dromedare sind. Wir können nicht aufhören zu erzählen. In einem endlosen inneren Monolog erzählen wir uns Geschichten über uns selbst. Manche davon sind wahr, einige nur ein bisschen, andere überhaupt nicht. Wir alle sind Fiktion, aber das glauben wir nicht, weil wir uns mitten in ihr befinden wie in einem Fortsetzungsroman.”

    “Schreibend erforsche ich die Welt. Meine Welt. Was beeindruckt mich? Was merke ich mir? Was erschüttert mich? Was erheitert mich? Was begeistert mich? Woran erinnere ich mich? Ich habe keine Ahnung, wie man etwas schreibt, das sich verkauft. Dafür gibt es andere Bücher mit Titeln à la: Wie ich einen sauguten Roman schreibe. Wie ich ein saugutes Drehbuch schreibe. Wie ich eine saugute Serie schreibe. Ich weiß nur, dass man, wenn man Wort für Wort, Satz für Satz über die Welt schreibt, in der man sich befindet, eine Ahnung von sich selbst bekommt. Während wir Schritt für Schritt weitergehen, ist es wichtig, auf die Umgebung zu achten, auf den Boden unter den Füßen, auf den Himmel über uns und auf die anderen, die gleichzeitig mit uns einen Fuß vor den anderen setzen, bevor wir uns schon wieder von allem verabschieden müssen. Schreibend erinnere ich mich an mich selbst. Was ist in meinem Gehirn an Bildern und Tönen gespeichert, was für Erinnerungen an Menschen, Orte, Tiere, Gefühle? Jeder von uns ist einzigartig… Die Welt in mir als Echo und Inspiration. ›Spirare‹ – atmen. Schreiben heißt, die Welt einatmen. Nicht nur die kühle Bergluft am Morgen, auch den Smog, den Rauch, die Abgase. Das Schöne wie das Hässliche.” 
    Doris Dörrie in: “Leben, schreiben, atmen” , Diogenes Verlag
  • LOVE IS THE BEST THING IN LIFE… UNTIL IT’S OVER. Liebeskummer… das unterschätzte Leiden. Wir kennen es alle. Dieses niederschmetternde Gefühl absoluter Verzweiflung. Liebeskummer ist kein Teenagerschmerz. Kaum eine andere Situation im Leben überwältigt, quält und lähmt dermassen. Christian Frei und Kameramann Peter Indergand tauchen in die fiebrigen Nächte von Menschen ein, die soeben von ihrem Partner verlassen wurden. In einen Ausnahmezustand voller Trauer und Tränen, Wachheit und Kreativität. Die Anthropologin Helen Fisher erforscht, welche unglaublichen Vorgänge im Hirn der Betroffenen ablaufen und fragt sich, ob die Natur es nicht übertreibt. Der Film erkundet den unendlich schwierigen Weg aus der selbstzerstörerischen Besessenheit heraus… hin zu einem neuen Selbst. Und er verneigt sich vor dem scheinbar unbeirrbaren Sehnen… nach Liebe. „Sleepless in New York“ https://www.exlibris.ch/de/filme/film-dvd/sleepless-in-new-york-orig-mit-ut/id/7611719439154 oder Trailer zum Film.
  • Alles über family relationships, friend ships, acquaintance ships, and romantic relation ships…DAS Standwerk für die Theorie(!) mit umfangreichen Fachartikeln zu moderner Beziehungsforschung: The Cambridge Handbook of personal relationships.
  • Dezember 2021: Eine Ansammlung von Texten und Illustrationen ist entstanden; für mich erscheint es wie eine Art schwimmender Teppich mit verwobenem Seemanns-/Seefrauengarn… zwischen den Schiffen tauchen auch andere Meeresbewohner oder maritime Fundstücke als Symbole auf. Just heute trudelt eine weitere Flaschenpost/Mail ein:

    „Außerdem wollte ich mich bei Dir bedanken, da es gut tat, meine Geschichte aufzuschreiben und sich so „anders“ damit zu befassen.“ 

    Ja“, schreibe ich zurück: „Ich habe ebenso angefangen wie Du… ich habe angefangen, die emotionalsten/leidenschaftlichsten Geschichten aufzuschreiben, weil – einmal aufgeschrieben – sind sie festgezurrt. Das lebendige mündliche Gedächtnis wiederholt die gleiche Melodie in den gleichen Spurrillen. Einmal aufgeschrieben sind die Schilderungen dieser Begegnungen dann notiert. Dann können sie erst einmal ruhen. 

    Irgendwann kann man sich auf einer literarischen Ebene distanzieren. Was heißt das? Ich kann meine Geschichte einer guten Freundin erzählen und sie wird vermutlich auf meiner Seite stehen. Beim autobiografischen Schreiben nimmt man jedoch keine Bewertung vor, sondern läßt dem Leser/Zuhörer die Beurteilung. Man kann das beschreiben, was passiert ist, was es in einem ausgelöst hat, aber nicht so bewerten, dass der Leser von vornerein als „gute Freundin“ ins Boot geholt wird. Durch diese Spielregel habe ich dann selber Distanz zu meiner Geschichte
    gewonnen.

  • Made in the „Länd“… dank nochmals an die Projektförderung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden- Württemberg, die das Entstehen des Projekts ermöglicht hat.

„General synopis“(die allgemeinen Aussichten) – so heißt es immer beim Shipping forecast – sind: Weiterführung des Projekts mit weiteren Texten und Tönen. Option einer Ausstellung – am liebsten in einem Haus/Objekt am Wasser oder auf dem Wasser.

To be continued in 2022…

2. Januar 2022: Im Guardian gibt es eine neue Leserserie: „My winter of love“. Hier sind kurze Episoden von Beziehungsgeschichten zu finden: My winter of love: I thought we had parted for ever. Then I took his phone call in a raging blizzard
My winter of love: The true test of a relationship? Sixty-five unwashed hours together in a tent



10. Januar

Neue Wege aus der Einsamkeit von Christine Brähler

«Ein mit großer Fachkenntnis geschriebenes Buch über eines der zentralen Probleme unserer Zeit. Eine seltene Mischung: Denn es ist sowohl ein Wissenschafts- als auch ein sehr einfühlsames Buch – und ein Ratgeber. Absolut empfehlenswert!» Gert Scobel

Dr. Christine Brähler bietet mit diesem Buch einen einzigartigen Ratgeber, der sich mit Selbstmitgefühl als Mittel gegen die grassierende Einsamkeit in unserer Gesellschaft beschäftigt. Sie geht den Weg von Innen nach Außen: Anstatt unsere Bedürfnisse zu vernachlässigen oder zu hoffen, dass sie von außen erfüllt werden, entdecken wir die liebevolle Verbindung zu uns selbst.

• 14. Januar: Es gibt wunderschöne Karten und es lohnt sich, ein Blick auf die Geschichte der Kartographie zu werfen. Hier ist jemand, der sich mit „strange maps“ beschäftigt… https://bigthink.com/strange-maps/245-loves-topography-la-carte-de-tendre/

31. Januar: https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/340912/beziehungen-gestalten-und-aufrechterhalten-eine-wichtige-kompetenz-in-der-pandemie

4. Februar: Mein Zitat der Woche: „Biologisch gesehen, unterscheiden wir uns nicht so sehr voneinander; Historisch gesehen, als Erzählung, ist jeder von uns einzigartig.“ Oliver Sacks

10. Februar: statt Vernissagerede ein wunderbarer Text zur Fertigstellung des Online Projekts „relation ships“ geschrieben von Vivien Sigmund, Kunsthistorikerin :

Dieses Projekt beginnt – wie so viele gute Abenteuer – mit einer Karte.

Diese Karte ist kein Sehnsuchtsobjekt im eigentlichen Sinn. Keine Spuren der Benutztheit sind an ihr ablesbar, keine persönlichen Vermerke, sie verbirgt keine Schätze oder unentdeckten Gebiete. Sie erzählt nicht einmal von der Vergangenheit, nein, die Karte aktualisiert in Echtzeit, sie ist immer gegenwärtig, immer heute. Marinetraffic.com ist eine rein funktionale Karte, die nur digital existiert und die die Standortpositionen beinahe aller Schiffe auf den Weltmeeren übermittelt.

Diese Schiffe breiten sich wie ein atmendes Geflecht auf der Karte aus, verdichten sich in Richtung Küste, vereinzeln sich auf hoher See: Das Wandern dieser GPS-Positionen, es ist ein Tanz, dessen Choreographie uns Landmenschen für gewöhnlich verborgen bleibt.

Die Künstlerin Anna Loog entdeckte diese pralle parallele Welt, als sie reichlich robinsonesk auf Island festsaß. Der Vulkan Eyjafjallajökull atmete Asche und Stille, der Flugverkehr und die Welt verharrten und die Künstlerin kalkulierte das Risiko einer Überfahrt per Schiff zum europäischen Festland im Winter bei einer Windstärke, die Dächer abzudecken im Stande ist. Sie konsultierte die besagte Online-Karte und den sagenumwobenen BBC „Shipping forecast“. Und fand eine Analogie unseres Daseins.

Als imaginäre Gedankenverknüpfungen überführt sie die marinen Interaktionen auf das Zwischenmenschliche. Unsichtbare Routen führen uns Menschen zusammen und wieder auseinander, Strömungen leiten uns, Wirbel und Wellen entzweien uns, Wasserstraßen kreuzen sich und wir fädeln uns ein und scheren wieder aus. Auch wir tanzen und man sieht uns nicht an mit wem. Unser Netzwerk ist nicht wahrnehmbar, nicht nachvollziehbar für die Außenstehenden. Wir driften durch eine Welt, die so volatil ist, wie das Meer.

Jene Schiffe, die sich kurz auf See versammeln zu einem – welch herrliches Wort –Stelldichein, die sich also einstellten aufeinander für einen Moment, die nannte Anna Loog „Relation Ships“, Beziehungsschiffe also.

Und sie lud Menschen ein über eben jene „Beziehungsschiffe“ zu schreiben, über Momente sich kreuzender Lebenswege, und veröffentlichte diese Texte auf einer Website, die nun ihrerseits wie ein Hafen den verschiedensten Menschen in der Unendlichkeit von Leben und Internet einen Ankerpunkt bietet, eine kleine mediale Zusammenkunft, um sich über das Zusammenkommen auszutauschen.“

Vivien Sigmund, Kunsthistorikerin, Januar 2022